Derivate Erklärung

Derivate Erklärung

Derivate sind Finanzinstrumente, deren Wert sich von dem Wert eines zugrunde liegenden Basiswertes ableitet. Dieser Basiswert kann nahezu alles sein: Aktien, Anleihen, Währungen, Rohstoffe, Zinssätze oder sogar andere Derivate. Derivate werden hauptsächlich für zwei Zwecke eingesetzt: Risikomanagement (Hedging) und Spekulation. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über Derivate, ihre Funktionsweise, verschiedene Arten und die damit verbundenen Risiken.

Was sind Derivate?

Stellen Sie sich vor, Sie wollen von einer erwarteten Wertsteigerung einer Aktie profitieren, sind aber nicht bereit, die Aktie direkt zu kaufen. Oder Sie möchten sich gegen das Risiko eines steigenden Ölpreises absichern, ohne physisch Öl kaufen zu müssen. Hier kommen Derivate ins Spiel. Sie ermöglichen es, auf die Kursentwicklung eines Basiswertes zu setzen, ohne diesen tatsächlich besitzen zu müssen.

Der Name "Derivate" kommt von der Tatsache, dass ihr Wert "abgeleitet" (derived) von dem Wert eines anderen Vermögenswerts ist. Ein Derivatvertrag ist im Wesentlichen eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehr Parteien, deren Wert auf der zukünftigen Preisentwicklung eines Basiswertes basiert.

Warum werden Derivate verwendet?

Risikomanagement (Hedging): Unternehmen und Investoren nutzen Derivate, um sich gegen unerwünschte Preisbewegungen abzusichern. Beispielsweise kann ein Fluggesellschaftsunternehmen Öl-Derivate verwenden, um sich gegen steigende Kerosinpreise zu schützen.
Spekulation: Derivate ermöglichen es, mit relativ geringem Kapitaleinsatz auf Preisbewegungen zu spekulieren. Dies kann zu hohen Gewinnen führen, birgt aber auch ein hohes Risiko.
Arbitrage: Derivate können genutzt werden, um Preisunterschiede für denselben Basiswert auf verschiedenen Märkten auszunutzen und risikofreie Gewinne zu erzielen.
Effizienz des Kapitalmarktes: Derivate tragen zur Preisfindung und Liquidität des Kapitalmarktes bei.

Arten von Derivaten

Es gibt eine Vielzahl von Derivaten, die sich in ihrer Komplexität und ihren Anwendungsbereichen unterscheiden. Die wichtigsten Arten sind:

Futures: Futures sind standardisierte Verträge, die den Kauf oder Verkauf eines Basiswertes zu einem festgelegten Preis an einem zukünftigen Zeitpunkt vereinbaren. Sie werden an Terminbörsen gehandelt.
Optionen: Optionen geben dem Käufer das Recht, aber nicht die Pflicht, einen Basiswert zu einem festgelegten Preis (Strike Price) innerhalb eines bestimmten Zeitraums (bis zum Verfallstermin) zu kaufen (Call-Option) oder zu verkaufen (Put-Option). Optionen werden an Optionsbörsen gehandelt.
Swaps: Swaps sind Vereinbarungen zwischen zwei Parteien, bei denen Zahlungsströme über einen bestimmten Zeitraum ausgetauscht werden. Häufige Arten sind Zinsswaps und Währungsswaps.
Forwards: Forwards ähneln Futures, sind aber nicht standardisiert und werden direkt zwischen zwei Parteien (Over-the-Counter, OTC) ausgehandelt.
Binäre Optionen: Binäre Optionen sind eine einfache Form von Option, bei der der Ertrag entweder eine feste Summe oder null ist. Sie basieren auf einer einfachen Ja/Nein-Prognose über die Kursentwicklung eines Basiswertes. (Mehr dazu weiter unten)
Credit Default Swaps (CDS): Credit Default Swaps sind Versicherungsverträge gegen das Ausfallrisiko von Anleihen oder anderen Krediten.

Arten von Derivaten
Derivattyp	Beschreibung	Handelsort	Risiko
Futures	Standardisierte Vereinbarung zum Kauf/Verkauf eines Basiswertes zu einem zukünftigen Zeitpunkt.	Terminbörse	Hohes Risiko, Hebelwirkung
Optionen	Recht, aber nicht Pflicht, einen Basiswert zu kaufen oder zu verkaufen.	Optionsbörse	Begrenztes Risiko für Käufer, unbegrenztes Risiko für Verkäufer
Swaps	Austausch von Zahlungsströmen.	OTC	Komplex, Kontrahentenrisiko
Forwards	Nicht standardisierte Vereinbarung zum Kauf/Verkauf eines Basiswertes zu einem zukünftigen Zeitpunkt.	OTC	Kontrahentenrisiko
Binäre Optionen	Einfache Ja/Nein-Prognose über die Kursentwicklung.	Online-Broker	Hohes Risiko, All-or-Nothing
CDS	Versicherungsvertrag gegen das Ausfallrisiko von Krediten.	OTC	Komplex, systemisches Risiko

Binäre Optionen im Detail

Binäre Optionen sind eine spezielle Art von Option, die besonders für Anfänger zugänglich erscheint, aber dennoch ein hohes Risiko birgt. Im Wesentlichen prognostiziert ein Investor, ob der Preis eines Basiswertes (z.B. eine Aktie, ein Währungspaar, ein Rohstoff) innerhalb eines bestimmten Zeitraums steigen oder fallen wird.

**Funktionsweise:** Der Investor wählt einen Basiswert, einen Verfallstermin und eine Auszahlungssumme. Wenn die Prognose richtig ist, erhält der Investor die vereinbarte Auszahlung. Wenn die Prognose falsch ist, verliert der Investor seinen gesamten Einsatz.
**Auszahlung:** Die Auszahlung bei binären Optionen ist in der Regel festgelegt, beispielsweise 70-90% des investierten Betrags.
**Hebelwirkung:** Binäre Optionen bieten eine hohe Hebelwirkung, was bedeutet, dass mit einem relativ geringen Kapitaleinsatz große Gewinne erzielt werden können. Dies geht jedoch mit einem hohen Risiko einher.
**Risiken:** Das Hauptrisiko bei binären Optionen ist der Totalverlust des investierten Kapitals. Darüber hinaus sind binäre Optionen anfällig für Betrug und unseriöse Broker.

Strategien für binäre Optionen

Es gibt verschiedene Strategien, die beim Handel mit binären Optionen angewendet werden können. Einige Beispiele sind:

**Trendfolgestrategie:** Identifizierung und Ausnutzung bestehender Trends.
**Range-Trading-Strategie:** Handel innerhalb einer bestimmten Preisspanne.
**News-Trading-Strategie:** Reaktion auf wichtige Nachrichtenereignisse.
**Martingale-Strategie:** Verdopplung des Einsatzes nach jedem Verlust (sehr riskant!).

Es ist wichtig zu beachten, dass keine Strategie eine Garantie für Gewinne bietet.

Risiken von Derivaten

Derivate können sehr nützliche Instrumente sein, bergen aber auch erhebliche Risiken.

Hebelwirkung: Die Hebelwirkung verstärkt sowohl Gewinne als auch Verluste. Ein kleiner Kursbewegung des Basiswertes kann zu großen Gewinnen oder Verlusten führen.
Kontrahentenrisiko: Bei OTC-Derivaten besteht das Risiko, dass der andere Vertragspartner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.
Liquiditätsrisiko: Manche Derivate sind illiquide, d.h. es kann schwierig sein, sie zu einem fairen Preis zu verkaufen.
Marktrisiko: Der Wert von Derivaten ist von der Kursentwicklung des Basiswertes abhängig.
Modellrisiko: Die Bewertung von komplexen Derivaten basiert auf mathematischen Modellen, die möglicherweise nicht immer die Realität korrekt widerspiegeln.
Systemisches Risiko: Der Zusammenbruch eines großen Derivatehändlers kann zu einem Dominoeffekt auf dem gesamten Finanzmarkt führen.

Regulierung von Derivaten

Die Regulierung von Derivaten hat in den letzten Jahren zugenommen, insbesondere nach der Finanzkrise von 2008. Ziel der Regulierung ist es, die Transparenz zu erhöhen, das Kontrahentenrisiko zu reduzieren und systemische Risiken zu minimieren. Wichtige Regulierungsinitiativen sind:

Dodd-Frank Act (USA): Regelt den OTC-Derivatemarkt und führt zentrale Gegenparteien (CCPs) ein, um das Kontrahentenrisiko zu reduzieren.
EMIR (Europa): Ähnliche Ziele wie der Dodd-Frank Act, jedoch für den europäischen Markt.
MiFID II (Europa): Verbessert den Anlegerschutz und die Transparenz auf den Finanzmärkten.

Technische Analyse für Derivate

Technische Analyse ist ein wichtiger Bestandteil des Handels mit Derivaten. Durch die Analyse von Kurscharts und Indikatoren können potenzielle Handelsmöglichkeiten identifiziert werden. Einige gängige technische Indikatoren sind:

Gleitende Durchschnitte: Gleitende Durchschnitte glätten Kursdaten und helfen, Trends zu erkennen.
Relative Strength Index (RSI): RSI misst die Geschwindigkeit und Veränderung von Kursbewegungen und hilft, überkaufte oder überverkaufte Bedingungen zu identifizieren.
Moving Average Convergence Divergence (MACD): MACD zeigt die Beziehung zwischen zwei gleitenden Durchschnitten und hilft, Trendänderungen zu erkennen.
Fibonacci-Retracements: Fibonacci-Retracements basieren auf der Fibonacci-Sequenz und helfen, potenzielle Unterstützungs- und Widerstandsniveaus zu identifizieren.
Bollinger Bänder: Bollinger Bänder messen die Volatilität und helfen, Ausbrüche zu erkennen.

Volumenanalyse für Derivate

Volumenanalyse ist eine weitere wichtige Methode zur Analyse von Derivaten. Das Handelsvolumen gibt Aufschluss über die Stärke eines Trends und die Wahrscheinlichkeit einer Trendfortsetzung.

On-Balance Volume (OBV): OBV misst den kumulativen Fluss des Handelsvolumens und hilft, Kauf- und Verkaufsdruck zu identifizieren.
Accumulation/Distribution Line: Accumulation/Distribution Line misst die Beziehung zwischen Kurs und Volumen und hilft, potenzielle Trendumkehrungen zu erkennen.
Volume Price Trend (VPT): VPT kombiniert Kurs und Volumen, um die Stärke eines Trends zu messen.

Schlussfolgerung

Derivate sind komplexe Finanzinstrumente, die sowohl Chancen als auch Risiken bieten. Es ist wichtig, die Funktionsweise von Derivaten, die verschiedenen Arten und die damit verbundenen Risiken zu verstehen, bevor man mit dem Handel beginnt. Eine gründliche Analyse des Basiswertes, die Anwendung geeigneter Handelsstrategien und ein sorgfältiges Risikomanagement sind entscheidend für den Erfolg im Derivatehandel. Besonders bei binären Optionen ist Vorsicht geboten, da das Risiko eines Totalverlusts sehr hoch ist.

Siehe auch

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