Festlegung Der Positionsgröße Beim Handel Mit Binären Optionen

Die Festlegung der Positionsgröße ist einer der fundamentalsten und gleichzeitig am häufigsten vernachlässigten Aspekte beim Handel mit Binären Optionen. Während die Natur der Binären Optionen – ein fester Gewinn oder Verlust pro Trade – die Komplexität der Positionsberechnung im Vergleich zu gehebelten Instrumenten wie CFDs vereinfacht, bleibt die korrekte Allokation des Kapitals entscheidend für das langfristige Überleben und den Erfolg im Trading. Eine falsche Positionsgröße führt schnell zu übermäßigem Risiko und kann selbst bei einer ansonsten guten Strategie zum schnellen Verlust des gesamten Handelskapitals führen.

Grundlagen der Positionsgröße bei Binären Optionen

Im Gegensatz zum Handel mit Aktien oder Devisen, wo der potenzielle Verlust theoretisch unbegrenzt sein kann (bei gehebelten Produkten) oder von der Kursbewegung abhängt, ist der Verlust bei einer Binary option auf den Einsatzbetrag (Prämie) begrenzt. Ebenso ist der Gewinn bei einem In-the-money-Abschluss auf den vorab festgelegten Auszahlungsbetrag begrenzt.

Die Kernfrage der Positionsgröße lautet: Wie viel meines gesamten Kapitals setze ich für einen einzelnen Trade ein?

Das Risiko pro Trade definieren

Der wichtigste Schritt ist die Festlegung des maximal akzeptablen Risikos pro Trade. Dies ist der Eckpfeiler des Risikomanagements. Für Anfänger wird allgemein empfohlen, niemals mehr als 1% bis maximal 2% des gesamten Handelskontos pro einzelnem Trade zu riskieren.

Wenn Sie 1000 Euro auf Ihrem Konto haben und sich für ein 1%-Risiko entscheiden, darf Ihr maximaler Verlust bei diesem Trade 10 Euro nicht überschreiten. Da der Verlust bei einer Binären Option genau dem eingesetzten Betrag entspricht, entspricht dies direkt Ihrem Einsatz.

Der Unterschied zur Positionsgröße bei anderen Instrumenten

Bei Instrumenten mit variablem Risiko (z.B. Forex oder CFD-Handel) muss die Positionsgröße (Lot-Größe) anhand des Stop-Loss-Abstands berechnet werden, um das definierte Kapitalrisiko (z.B. 1%) nicht zu überschreiten. Bei Binären Optionen ist dies einfacher, da der Verlust fix ist:

**Binäre Optionen:** Positionsgröße = Maximal akzeptierter Verlust (z.B. 1% des Kontos).
**CFDs/Forex:** Positionsgröße = (Kapital * Risiko%) / (Stop-Loss-Abstand in Pips * Pip-Wert).

Obwohl die Berechnung einfacher ist, erfordert die Disziplin, sich an dieses Limit zu halten, dieselbe Stärke wie bei gehebelten Märkten. Die Versuchung, bei einer scheinbar sicheren Gelegenheit mehr zu setzen, ist hoch. Hier spielt die Disziplin beim Trading eine entscheidende Rolle.

Berechnung der Positionsgröße: Schritt-für-Schritt-Anleitung

Die Festlegung der Positionsgröße erfolgt unabhängig davon, ob Sie eine Call option oder eine Put option handeln, solange das Risiko pro Trade konstant gehalten wird.

Schritt 1: Kontostand und Risikoprozentsatz bestimmen

Zuerst müssen Sie Ihren aktuellen Handelskontostand kennen und festlegen, welchen Prozentsatz Sie maximal riskieren möchten.

Beispiel:

Kontostand: 500 Euro
Gewünschtes Risiko pro Trade: 1.5%

Schritt 2: Maximaler Verlustbetrag berechnen

Multiplizieren Sie den Kontostand mit dem Risikoprozentsatz.

Formel: Maximaler Verlust (in Euro) = Kontostand * (Risikoprozentsatz / 100)

Beispielrechnung: 500 Euro * (1.5 / 100) = 7.50 Euro

Dies bedeutet, dass Ihr Einsatz für diesen einzelnen Trade maximal 7.50 Euro betragen darf.

Schritt 3: Einsatzbetrag festlegen (Die Positionsgröße)

Da der Verlust bei Binären Optionen gleich dem Einsatz ist, ist der Einsatzbetrag direkt die Positionsgröße.

Positionsgröße = Maximaler Verlustbetrag

In unserem Beispiel beträgt die Positionsgröße 7.50 Euro.

Schritt 4: Berücksichtigung des Auszahlungsprozentsatzes (Payout)

Obwohl der Einsatz (Risiko) fest ist, beeinflusst der Auszahlungsprozentsatz des Brokers die tatsächliche Rentabilität des Trades. Der Payout bestimmt, wie viel Sie gewinnen, wenn der Trade In-the-money endet.

Angenommen, der Broker bietet bei unserem 7.50 Euro Einsatz einen Payout von 85% an:

Gewinn bei Erfolg: 7.50 Euro * 85% = 6.38 Euro
Verlust bei Misserfolg: 7.50 Euro

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Positionsgröße (der Einsatz) immer auf dem maximalen Verlust basiert, nicht auf dem potenziellen Gewinn. Die Auswahl des Ausübungspreises und die damit verbundenen Payouts sind ein separater Faktor, der die Attraktivität des Trades bewertet, aber nicht die Höhe des eingesetzten Kapitals bestimmen sollte.

Tabelle 1: Positionsgrößen-Beispiel basierend auf 1.5% Risiko

Kontostand (EUR)	Risiko (%)	Max. Verlust (EUR)	Empfohlene Positionsgröße (EUR)
1000	1.0%	10.00	10.00
500	1.5%	7.50	7.50
200	2.0%	4.00	4.00

Positionsgröße bei steigendem oder fallendem Kontostand

Die Positionsgröße muss dynamisch angepasst werden, da sich der Kontostand ständig ändert. Dies ist entscheidend für das langfristige Management des Kapitals.

Kontostand steigt

Wenn Ihr Konto wächst, wächst auch Ihr Risikobetrag (in Euro), vorausgesetzt, Sie halten den Prozentsatz konstant.

Wenn das Konto von 500 Euro auf 600 Euro steigt und Sie weiterhin 1.5% Risiko pro Trade einhalten: Neuer Max. Verlust: 600 Euro * 1.5% = 9.00 Euro. Die neue Positionsgröße beträgt 9.00 Euro. Dies ermöglicht es Ihnen, größere Gewinne zu erzielen, während das prozentuale Risiko gleich bleibt.

Kontostand fällt

Wenn Ihr Konto Verluste erleidet, muss die Positionsgröße reduziert werden, um das prozentuale Risiko konstant zu halten und eine schnellere Erholung zu ermöglichen.

Wenn das Konto von 500 Euro auf 400 Euro fällt und Sie weiterhin 1.5% Risiko einhalten: Neuer Max. Verlust: 400 Euro * 1.5% = 6.00 Euro. Die neue Positionsgröße beträgt 6.00 Euro.

Dies ist ein wichtiger Unterschied zu aggressiven Strategien, bei denen Trader versuchen, Verluste durch Erhöhung des Einsatzes wieder hereinzuholen (Martingale-Ansatz), was fast immer zum Totalverlust führt. Konsequente Positionsgrößenanpassung schützt das Kapital.

Strategische Überlegungen zur Positionsgröße

Obwohl die mathematische Berechnung einfach ist (Risikoprozentsatz * Kontostand), gibt es strategische Faktoren, die beeinflussen, ob Sie das Maximum setzen sollten oder nicht.

Abhängigkeit von der Strategie und dem Setup

Nicht alle Handelssignale sind gleich stark. Ein Signal, das auf einer starken Kombination aus Trendbestätigung, Support- und Resistance-Leveln und einem klaren Candlestick pattern basiert, könnte als "höhere Wahrscheinlichkeit" eingestuft werden als ein Signal, das nur auf einem einzelnen Indikator wie dem RSI beruht.

Fortgeschrittene Trader passen ihre Positionsgröße basierend auf der wahrgenommenen Qualität des Setups an:

**Hohe Konfluenz (Starkes Setup):** Einsatz bis zum maximal erlaubten Risiko (z.B. 1.5%).
**Mittlere Konfluenz (Normales Setup):** Einsatz unter dem Maximum (z.B. 0.75% bis 1.0%).
**Niedrige Konfluenz (Schwaches Setup):** Handel meiden oder sehr geringen Einsatz wählen (z.B. 0.25%).

Dies erfordert jedoch eine sehr genaue Erfassung der Trefferquoten für verschiedene Setup-Qualitäten in Ihrem Handelsjournal.

Einfluss der Volatilität und der Expiry time

Die Wahl der Verfallszeit beeinflusst indirekt die Positionsgröße, da sie die Wahrscheinlichkeit eines In-the-money-Abschlusses beeinflusst.

Bei sehr volatilen Märkten, bei denen schnelle, große Bewegungen auftreten können (z.B. während wichtiger Nachrichtenereignisse, siehe Effektive Nutzung von Wirtschaftsdaten im Handel), kann das Risiko eines Fehlsignals steigen, selbst wenn die Richtung stimmt. Hier sollte man vorsichtiger sein und das Risiko reduzieren, besonders wenn die Expiry time kurz ist.
Bei ruhigen Märkten, in denen man auf einen langsamen Trend setzt, kann man möglicherweise das volle Risiko fahren.

Wenn Sie beispielsweise eine Strategie auf Basis von Bollinger Bands nutzen, die auf eine bevorstehende Kontraktion hindeutet, sollten Sie vorsichtiger sein, als wenn Sie einen klaren Ausbruch nach einem langen Konsolidierungsbereich handeln.

Häufige Fehler bei der Positionsgröße

Die meisten Anfänger scheitern nicht wegen schlechter Indikatoren (wie MACD oder RSI), sondern wegen schlechter Positionsverwaltung.

Fehler 1: Fester Einsatz ohne Rücksicht auf das Konto

Ein Trader setzt immer 20 Euro pro Trade, unabhängig davon, ob sein Konto 100 Euro oder 5000 Euro groß ist.

Bei 100 Euro Konto: 20% Risiko pro Trade – katastrophal.
Bei 5000 Euro Konto: 0.4% Risiko pro Trade – sehr konservativ.

Die Positionsgröße muss immer proportional zum Kontostand sein.

Fehler 2: Martingal- oder Anti-Martingal-Versuche

Das Erhöhen des Einsatzes nach einem Verlust (Martingal) ist der schnellste Weg zur Kontoauslöschung. Jeder Trade muss als unabhängiges Ereignis betrachtet werden, dessen Risiko auf dem aktuellen Kontostand basiert.

Umgekehrt kann auch das Verringern des Einsatzes nach einem Gewinn (Anti-Martingal) die Rendite unnötig dämpfen, wenn das ursprüngliche Risiko-Setup weiterhin gültig ist.

Fehler 3: Emotionales Über-Setzen

Dies tritt auf, wenn ein Trader glaubt, er habe "die perfekte Welle" identifiziert, vielleicht basierend auf einer Elliott-Wellen-Analyse, und setzt deshalb 10% oder 20% des Kontos. Dies verletzt die Kernregel des Risikomanagements. Selbst die besten Analysten liegen falsch.

Fehler 4: Ignorieren des Payouts bei der Risikobewertung

Obwohl der Einsatz fix ist, sollte man Trades mit sehr niedrigem Payout (z.B. unter 70%) meiden, da die erforderliche Trefferquote, um profitabel zu sein, exponentiell ansteigt. Wenn Sie 100 Euro setzen und nur 60 Euro zurückbekommen (60% Payout), müssen Sie mehr als 58.8% der Trades gewinnen, nur um die Einsätze wieder hereinzuholen. Dies ist zwar keine direkte Positionsgrößenberechnung, beeinflusst aber die Entscheidung, *ob* überhaupt gesetzt werden soll.

Praktische Checkliste für den Einstieg in die Positionsgröße

Bevor Sie einen Trade platzieren, sollten Sie diese Fragen schnell durchgehen. Dies hilft, die Disziplin beim Trading zu festigen.

Checkliste zur Positionsbestimmung

Ist mein aktueller Kontostand bekannt?
Ist mein maximales Risiko pro Trade (z.B. 1%) definiert?
Habe ich den maximalen Einsatzbetrag (Positionsgröße) in Euro berechnet?
Ist mein aktuelles Setup stark genug, um das volle definierte Risiko zu rechtfertigen, oder sollte ich reduzieren (z.B. bei schwachen Signalen)?
Entspricht der Einsatzbetrag auf der Handelsplattform (z.B. bei IQ Option oder Pocket Option) genau meiner berechneten Positionsgröße?
Habe ich die Expiry time so gewählt, dass sie zum erwarteten Verhalten des Marktes passt (siehe auch Ausbruch mit Rücktest Strategie)?

Backtesting der Positionsgrößen-Regel

Um Vertrauen in Ihr Risikomanagement zu gewinnen, ist es essenziell, die Positionsgrößen-Regel zu testen, bevor Sie echtes Geld riskieren.

Einfacher Backtesting-Ansatz

**Simulieren Sie den Kontostand:** Beginnen Sie mit einem fiktiven Startkapital (z.B. 1000 Euro).
**Definieren Sie das Risiko:** Setzen Sie Ihr festes Risiko (z.B. 1% = 10 Euro pro Trade).
**Simulieren Sie Trades:** Gehen Sie historische Charts durch und simulieren Sie Trades basierend auf Ihrer Strategie.
**Wenden Sie die Regel an:** Bei jedem simulierten Trade setzen Sie exakt den berechneten Betrag (10 Euro). Wenn der Trade gewinnt, erhöhen Sie das Konto (plus Payout). Wenn er verliert, reduzieren Sie das Konto um 10 Euro.
**Dynamische Anpassung:** Wenn Ihr simuliertes Konto auf 1200 Euro steigt, passen Sie die Positionsgröße für alle *folgenden* Trades auf 1% von 1200 Euro (12 Euro) an. Wenn es auf 800 Euro fällt, reduzieren Sie auf 1% von 800 Euro (8 Euro).
**Auswertung:** Führen Sie diesen Prozess über mindestens 100 simulierte Trades durch. Analysieren Sie im Trading journal, ob das Konto trotz Drawdowns stabil geblieben ist oder gewachsen ist.

Wenn Sie feststellen, dass Sie bei einem Drawdown (einer Verlustserie) emotional dazu neigen, die Regel zu brechen, müssen Sie die Disziplin trainieren, bevor Sie mit echtem Geld handeln.

Realistische Erwartungen und Risikohinweis

Die Festlegung der Positionsgröße ist Ihr primärer Schutzschild. Sie garantiert nicht den Gewinn, aber sie garantiert, dass Sie eine Pechsträhne überleben können, um am nächsten Tag wieder handeln zu können.

Realistisch gesehen sollten Sie bei einem strengen 1% Risiko pro Trade eine Verlustserie von 10 Trades (10% Verlust) überstehen können, ohne dass Ihr Konto vernichtet wird. Wären Sie aggressiver (5% Risiko), würden 10 aufeinanderfolgende Verluste bereits 50% Ihres Kapitals vernichten, was die psychologische Erholung extrem erschwert.

Die korrekte Positionsgröße ist der Mechanismus, der es Ihnen erlaubt, die inhärente Unsicherheit des Marktes zu überleben. Bei Binären Optionen, bei denen der Verlust fix ist, ist die Einhaltung dieser Regel der Schlüssel, um nicht durch eine natürliche Verlustserie aus dem Markt gedrängt zu werden. Denken Sie daran, dass der Handel mit Binären Optionen ein hohes Risiko birgt und nicht für jeden geeignet ist. Informieren Sie sich gründlich über die Funktionsweise der Handelsplattformen für Binäre Optionen und die damit verbundenen Risiken.

Siehe auch (auf dieser Seite)

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